Im Moment scheint es fast so, wenn ich mir die Geschehnisse in unserer Welt genauer betrachte. Wir neigen dazu blitzschnell zu (ver-)urteilen, einzuteilen in richtig oder falsch, in Gewinner und Verlierer, in Helden und Bösewichte. Und das oft, ohne auch nur einen ehrlichen Versuch zu starten uns in die Situation des Gegenübers hineinzuversetzen. Oder anders ausgedrückt, im Moment ist es schwierig die Welt zu verstehen.

Die eigentlichen Fragen, die wir uns stellen sollten ist nicht etwa impfen oder nicht, Zertifikat oder nicht, Solidarität oder nicht – sondern ob wir, statt des Einnehmens extremer Positionen, der Rechthaberei und des Diffamierens, nicht eher bereit sein sollten einander wieder zuzuhören und zwar nicht um eine Antwort auf das Gehörte zu geben, sondern um verstehen zu lernen.  Verstehen, was den anderen bewegt, verstehen wo seine Ängste liegen und wo sie vielleicht mit unseren kollidieren. Vor allem aber auch verstehen, dass wir gerade lernen müssen mit einer Situation umzugehen, die für uns alle auf die eine oder andere Weise herausfordernd, vielleicht sogar kaum verständlich und aushaltbar ist.

Gemeinschaftsgefühl ist: «mit den Augen eines anderen zu sehen, mit den Ohren eines anderen zu hören, mit dem Herzen eines anderen zu fühlen.» – Alfred Adler

Zwar neigen wir gerne dazu von uns selbst zu behaupten, wir würden das, was wir tun zum Wohle der Gemeinschaft tun. Aber wenn unser Verhalten oder unsere Worte dazu führen, dass das Gegenüber sich nicht gesehen, nicht gehört fühlt, dann bewirken wir vieles, aber bestimmt nicht das Wohl unserer Gemeinschaft. 

Wie können wir denn wieder lernen einander zuzuhören?

Mir ist völlig bewusst, dass es in der aktuellen Situation kein Zuckerschlecken ist. Ein jeder von uns lernt gerade mit eigenen, inneren Konflikten umzugehen – wie auch immer diese Aussehen mögen. Da scheint es ein regelrechter Kraftakt zu sein, auch noch das Gegenüber verstehen zu können. Trotzdem lohnt es sich, zumindest dann, wenn uns wirklich das eigene Wohl und das Wohl unserer Gemeinschaft am Hrzen liegt und nicht nur, dass wir recht behalten und als Held dastehen. Wie können wir das bewerkstelligen und lernen einander zu verstehen? In dem wir einander zuhören und wie du das tun kannst, möchte ich dir in folgenden 5 Schritten als Inspiration mitgeben.

  • Lerne Geduld zu haben, mit anderen aber auch mit dir selbst
  • Wenn du deinem Gegenüber zuhörst, dann lass ihn aussprechen
  • Versuche den anderen nicht zu belehren, sondern akzeptiere seine Sichtweise als ganz persönliche Wahrheit (so wie auch du deine Wahrheit hast)
  • Stelle Fragen, weshalb er etwas auf diese Weise sieht, ob er angst hat und wenn ja, woher seine Ängste kommen etc.
  • Ermutige dein Gegenüber, in dem du ihm deine Aufmerksamkeit und dein ehrliches Interesse schenkst

Wenn du mit anderen sprichst

  • Sprich ehrlich aus was du fühlst, was dich bewegt (ohne den anderen zu Kritisieren)
  • Versuche dich nicht zu rechtfertigen, sondern eher zu akzeptieren, dass jeder seine ganz persönliche Wahrheit hat 
  • Ermutige dich selbst, in dem du du dir darüber klar wirst, dass deine Gedanken, deine Meinungen und Gefühle ihre Berechtigung haben und dass du in Ordnung bist, so wie du bist

Mit diesen paar Tipps kann schon ein ziemlich gutes Gespräch entstehen, bei dem wir einander zuhören. Wenn du die Befürchtung hast, dass dein Gesprächspartner Mühe hat deine Meinung zu akzeptieren, kannst du ihm diese Anhaltspunkte vor eurem Gespräch auch gerne mitteilen, sodass ihr beide mit demselben Wissen einsteigen könnt. 

Übringes kann es auch hilfreich sein im Vornherein gemeinsam zu vereinbaren, was das Ziel des Gesprächs sein soll, damit beide sozusagem "auf Kurs" bleiben können. Und es ist auch völlig in Ordnung respektvoll mitzuteilen, wenn eine Grenze erreicht ist. Auch das ist wichtig, denn Grenzen sind für jeden anders und wenn wir einander zuhören wollen, dann geht es eben auch darum diese Grenzen bei sich selbst zu erkennen, diese mitzuteilen und zu respektieren - auf beiden Seiten.
 
 
 «Wenn dir jemand wirklich zuhört, ohne dich zu verurteilen, ohne dass er den Versuch macht, die Verantwortung für dich zu übernehmen oder dich nach seinen Mustern zu formen – dann fühlt sich das verdammt gut an. Dann kann ich meine Welt mit neuen Augen sehen und weiterkommen.» - Carl Rogers zur Beratung